1938 - keine Demo, eher Sammelaktion
„1938 Demo Stachus − ach wär das schön. Kanuten als Speerspitze des antifaschistischen Widerstandes. Es spricht aber allerhand dagegen, dass dem auch so war.
Zunächst sollte mal das Foto selbst befragt werden. Mit Bordmitteln wird man aus einem Foto von 197 KB nicht so arg viel rausholen können. Sollte man meinen. Ob es am Stachus war, weiß ich natürlich nicht. Es gibt ernste Lokalforscher, die aus den abgebildeten Straßenbahnen allerhand herausholen können, vielleicht sogar durch eine primitive Online-Recherche. Die Zeit nehme ich mir jetzt nicht.
Links oben scheint mir auf der Straßenbahn ein Münchner Kindl abgebildet zu sein. Ordentlich eingescannt könnte das Foto sogar dieses Detail sauber darstellen. München könnte also schon mal stimmen. Erst recht „ARL P“. Weiter links oben. Wie heißt er denn amtlich, der Stachus? (Zur Einstimmung: www.youtube.com/watch?v=KFexQI4r2Sc)
Das Faltboot wird den Experten was sagen. Zur Not kann man im faltbootforum (https://forum.faltboot.org/index.php) eine Anfrage starten. Ohne jetzt groß nachzusehen, könnte das ein Klepper Pirat-Einer von 1936 sein. Passt wohl auch.
Die Kleidung und Frisuren der dargestellten Personen passen ebenfalls zu 1938. Der maßgebliche Verein ist einigermaßen sicher feststellbar. Selbst aus den 197 KB lassen sich der Wimpel über dem linken Zelt und das Vereinstrikot des Jungen links ziemlich sicher deuten. Es ist wohl der Löwe im Wimpel der ‚Faltbootabteilung des Turn- und Sportvereins von 1860 München‘, gegründet am 1.5.1922.
Von wegen ‚Demo‘: Was hier läuft, ist deutlich. Der ältere Herr mit Brille bläst ein Blechinstrument, auf dem ein Notenblatt befestigt ist. Die schlanke Frau vor dem rechten Zelt scheint den Text dazu zu singen. "Brüder zur Sonne, zur Freiheit“? Eher nicht. Das Foto bildet drei unverkennbare NS-Symbole ab. Nämlich Sammelbüchsen. In der NS-Zeit wurde pausenlos für irgendwas gesammelt. NS-Volkswohlfahrt, Kraft durch Freude, Winterhilfswerk und so weiter.
Auch in den Kanuvereinen wurde gesammelt. Manchmal sogar für sport-spezifische Anliegen. Wahrscheinlich lässt sich auch der Text auf den Büchsen vor dem linken Zelt bei genauerer Betrachtung deuten. Dafür reichen die 197 KB nicht. Die Frau hält neben der Sammelbüchse ein Kästchen. Wohl ein Zigarrenkästchen, wie Opa sie hatte. Mit dem Geruch des Schmetterlingsbaums bzw. der veränderlichen Buddleia.
Der Inhalt des Kästchens lässt sich plausibel vermuten. Es werden Abzeichen oder Anstecker drin sein. Bei den Straßensammlungen wurden den großzügigen Spendern immer neu gestaltete Abzeichen oder Plaketten ausgehändigt, die man sich dann am Revers anstecken konnte. Damit konnte sich der Spender dann auch erfolgreich gegen andere Sammler verteidigen, die ihn mit ihren klappernden Sammelbüchsen belagern konnten. In so einigen Haushalten sind solche Nachweise erfolgreicher Sammeltätigkeit noch zu finden. Genau in der Art von Zigarrenkästchen, welche die junge Frau in der Hand hält.
Na wenigstens waren sie politisch korrekt, damals …
Thomas Theisinger"