Proteste gegen den Ausbau der Donau
„Ende der 80er Jahre las ich einen kleinen Artikel in der Landshuter Zeitung von Bemühungen der Rhein-Main-Donau AG, die Donau mit einem gewaltigen Seitenkanal und dementsprechenden Staustufen auszubauen. Der damaligen Bezirksvorsitzende von Niederbayern, Wolfgang Henschel, hat mich dann beauftragt, aktiv zu werden“, erinnert sich Max Scharnböck, der dann über 20 Jahre als Hauptorganisator in Sachen Donau aktiv war.
Er erinnert sich an eine erste Protestfahrt auf der Donau am 12. Juni 1993 von Deggendorf nach Mühlham mit etlichen 100 Teilnehmern von BKV, Bund Naturschutz, Vogelschutz, Green Peace usw. Wobei die ca. 250 Kanuten, Teilnehmer am 21. bayerischen Wanderfahrertreffen 1993 in Winzer, von Mariaposching (oberhalb von Deggendorf) nach Winzer (unterhalb von Mühlham) paddelten.
Demos im Kanu
Das damalige Präsidium des BKV tat sich mit der Protestfahrt sehr schwer und war eigentlich dagegen. Tenor: Man darf nicht gegen die bayerische Regierung demonstrieren. Im Endeffekt hielt der damalige Vizepräsident Kanuwandern, Wolfgang Ipfelkofer, im Festzelt in Mühlham dann aber doch eine Rede.
1994 startete die Protestfahrt anlässlich des 22. Wanderfahrertreffens mit 150 Booten (rund 200 Teilnehmern) von Straubing nach Kleinschwarzach. Auch die Teilnehmer an der 39. TID wandten sich bei einer Kundgebung in Passau gegen den staugestützten Donauausbau. Kanupionier Sepp Schächner schob sein Paddelboot dabei demonstrativ auf der Straße.
Am 1. Mai 1996 demonstrierten 500 Kanuten bei ihrer dritten Kanu-Demonstration zum Erhalt der noch frei fließenden Donau; rund 150 Kanusportler waren zuvor mit Transparenten auf ihren Booten auf der Donau von Deggendorf nach Niederalteich gepaddelt.
Ausbau zur Verkehrsmagistrale
Am 2. und 3. Juni 2000 wurde das Bayerische Wanderfahrertreffen in das Demo-Wochenende „Donau 2000“ umfunktioniert. Unter großer Beachtung der Medien und der Öffentlichkeit paddelten weit über 100 Kanuten von Straubing nach Deggendorf, wo am Donauufer eine Kundgebung stattfand.
Organisiert wurde der Widerstand durch „Donau-Max“ Scharnböck. Er war es, der die Kanuten informierte und immer wieder auf die drohenden Gefahren der Beton-Lobby einschwor, jetzt auch unterstützt von BKV und DKV. 2002 hielt der DKV-Freizeitausschuss seine Sitzung in Straubing und paddelte einschließlich DKV-Vizepräsident Karl-Albrecht Kumm und dem Geschäftsführer Freizeitsport Ulrich Clausing an der Kanu-Demo mit.
Der Politik unter Ministerpräsident Edmund Stoiber ging es um einen grundlegenden Umbau des Flusses zur europäischen Verkehrsmagistrale. Ein Bundestagsbeschluss wandte sich 2002 gegen einen staugestützten Donauausbau.
„Donau-Max“ bewies Rückgrat
Doch der Freistaat Bayern forderte vehement die sogenannte Variante C 2,80 mit einem Abscheiden der Mühlhamer Schleife mit einem Durchstichkanal und einer Staustufe. Die Mühlhamer Schleife gilt als ein „Flaschenhals“ im Flussverlauf für Schiffe zwischen dem Schwarzen Meer und Rotterdam. Das Donauwasser wäre bis über die Isarmündung zurückgestaut worden und hätte damit eine einzigartige Auenlandschaft zerstört, die als Naturschutzgebiet ausgewiesen ist.
„Donau-Max“ Scharnböck bewies Rückgrat und stellte sich den Plänen der Politik entgegen. Erstmals entstand ein Bündnis aus den Naturschutzverbänden, der donaufreundlichen Politik und des Bayerischen Kanu-Verbandes, der seine Mitglieder mobilisierte. So wuchs aus der ersten Kundgebung am Deggendorfer Donauufer das jährliche Fest für die Donau in Niederalteich am Vatertag. Die Organisation dazu übernimmt bis heute der Bund Naturschutz Deggendorf.
Seite an Seite aktiv
Von Anfang an waren die Kanuten des Deutschen und Bayerischen Kanu-Verbands mit Hunderten Paddlern dabei. Sie wollten die Schöpfung des Flusses erhalten und sprachen zusammen mit Altabt Emmanuel Jungclaussen am Donau-Kreuz in Niederalteich ein Gebet. Und es ging darum, die widersinnigen Pläne der bayerischen Politik abzulehnen nach dem Motto: Nicht der Fluss muss an die Schiffe angepasst werden, sondern die Schiffe an den Fluss.
Die Politik reagierte, verabschiedete sich von drei Staustufen und hielt nur noch am Durchstich der Mühlhamer Schleife und dem dazu notwendigen Stauwerk fest. Doch damit wäre der Kernbereich der frei fließenden Donau mit der Isarmündung unwiederbringlich zerstört worden.
Gutachten für 30 Mio. Euro
Dass Schiffsverbände, für die die frei fließende Donau geopfert werden sollte, von ihrer Dimension her auf ihrer Fahrt später nicht durch den Main-Donau-Kanal gepasst hätten, spielte bei den Plänen keine Rolle.
Ministerpräsident Horst Seehofer begann sich mit seinem Umweltminister Dr. Marcel Huber ab 2012 mehr und mehr vom Donauausbau abzuwenden. Am 10. Dezember machte er sich selbst ein Bild vom Schiff aus. Bei seiner Zwischenstation im Deggendorfer Ruderhaus empfingen ihn die Kanuten mit einem Paddelspalier. Hans-Jürgen Buchner, alias Haindling, sang ein Ständchen für „König Horst“ und von seinem Traum, dass sich Horst Seehofer für die Donau einsetzt. Seehofer erwiderte darauf: „Gehen sie davon aus, dass wir die Argumente ernsthaft gewichten“.
Dazu wurde ein umfangreiches Gutachten angefertigt. Kostenpunkt: 30 Millionen Euro. Seitdem gilt die Donau als der am gründlichsten begutachtete Fluss Europas.
Die Katastrophe ist da
Durch das jahrzehntelange Festhalten am Donauausbau wurde der Hochwasserschutz an der niederbayerischen Donau vernachlässigt. Am 4. Juni 2013 kam es zur großen Katastrophe: Durch das Hochwasser im Landkreis Deggendorf brach aufgrund des Rückstaus der Donau ein Damm an der Isar bei Deggendorf und überschwemmte die Ortsteile Fischerdorf und Natternberg. Am selben Tag wurde durch einen Donau-Dammbruch bei Winzer im Landkreis Deggendorf ein großer Teil von Niederalteich überflutet. Mehr als 6.000 Menschen wurden im Landkreis Deggendorf noch vorher aufgerufen, ihre Häuser zu verlassen bzw. im Notfall evakuiert.
Es war das eingetreten, wovor die Experten immer gewarnt hatten. Dieses Desaster musste geschehen, um ein Umdenken in der Politik zu bewirken. Doch noch immer wurde der Fluss untersucht und begutachtet. Bei Donau-Foren hob die Betonlobby ihre Pläne ins Rampenlicht und ahnte noch nicht, dass Ministerpräsident Seehofer wohl schon innerlich beschlossen hatte, Hans-Jürgen Buchners Traum zu folgen.
Staustufenpläne vom Tisch
Es fiel dann in die Amtszeit des vierten Ministerpräsidenten nach Edmund Stoiber, Markus Söder, dass die Staustufenpläne endgültig vom Tisch kamen. Jetzt ging es um die Verwirklichung der schon immer geforderten Variante A, des sanften Donauausbaus, mit adäquatem Hochwasserschutz, mit Deichrückverlegungen, Polderflächen und einer Vertiefung des Fahrwassers durch Ausbaggern und Buhnen.
Rund zehn Jahre wird es dauern, bis die Arbeiten erledigt sind. Der Planfeststellungsbeschluss zwischen Straubing und Deggendorf ist Realität, der für den Abschnitt Deggendorf und Vilshofen in Vorbereitung. Ende des Jahres 2020 sollen die Baumaschinen anrücken und entlang der Donau vieles verändern, damit Hochwasser mehr Platz bekommt und Schiffe eine tiefere Fahrrinne.
Steter Tropfen
Weit über 20 Jahre dauerte es, bis die Politik vom Besseren überzeugt war und den Mut hatte, von ihrem „Wir machen uns den Fluss untertan“-Denken abzuweichen.
Es benötigt einen langen Atem, sich zu engagieren. Doch steter Tropfen höhlt den Stein. „Donau-Max“ Scharnböck war der Tropfen, die Politik der Stein. Die Donau und wir alle haben gewonnen. Es macht Sinn, sich gegen Sinnloses zur Wehr zu setzen und nicht zu allem, was die Obrigkeit vorbetet, „Ja“ zu sagen.
Der Erfolg für den Erhalt der frei fließenden Donau muss uns motivieren, noch mehr zu tun und noch Größeres zu schaffen. Wenn unsere Flüsse verdreckt, begradigt oder kanalisiert sind, hat unser Sport seine Grundlage verloren – und unsere Kinder einen Teil ihrer Zukunft.
Werner Götz / Max Scharnböck / Uschi Zimmermann (07/2025)
Am Rande bemerkt
Max Scharnböck stellte aufgrund seines Engagements für die Donau bereits in den 90er Jahren den Kontakt zwischen Kanu-Verband und Bund Naturschutz und dessen damaligem Vorsitzenden Prof. Dr. Hubert Weiger aus Nürnberg her. Weiger war aufgrund dieser Verbindung u. a. Gastredner beim Jubiläumskanutag des Bayerischen Kanu-Verbandes 1999 in Weiden.
Die Kontakte setzten sich fort in den Deutschen Kanu-Verband zu dessen Vizepräsident Freizeitsport, Hermann Thiebes. Hieraus entwickelten sich vertiefende Ansätze gemeinsamer Aktivitäten zwischen beiden Verbänden, die sich u. a. auch gegen die Versalzung von Werra und Weser oder für den Erhalt der naturbelassenen Elbe richteten.